Samstag, 14. November 2009

Ich bin gegen Stierfeste!

Ich stehe dazu, ich bin gegen die Willkürlichkeit bei Stierfesten
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von Philip de Málaga

Wenn ich vom Stierkampf rede, meine ich in erster Linie damit die klassische corrida de toros und was dazu gehört. In zweiter Reihe finden sich die novilladas (mit Jungstieren), rejoneos (berittenen Stierkämpfe) und die encierros (Stiertreiben). Also man kann sagen, Veranstaltungen die von professioneller Hand organisiert und durchgeführt werden.

Es begann bei einem Stierkampf in Benalmádena Pueblo, wo mich Freunde mit anderen Spaniern bekannt machten. Da lernte ich auch Carlos kennen, der nach dem letzten novillo eifrig dass weisse Taschentuch schwenkte, um ein zweites oreja für den jungen torero einzufordern. Erstaunt blickte er zu mir. Mein Tuch blieb nämlich in der Tasche. Drei pinchazos y media estocada (vier Tötungsversuche), nein, dafür hat er wirklich keine Auszeichnung verdient, nicht mal eine! Unsere Meinung war offensichtlich verschieden aber er meinte beherzt: ”Que esperabas, ha sido muy entretenido” (Was erwartest du, war doch recht unterhaltsam.). Und genau an diesem Punkt schieden sich unsere Geister. Unterhaltung um jeden Preis, dass kann nicht der Sinn sein. Mein Argumentation, der toro habe nach Ablauf der Zeit ein Recht auf einen zügigen Tot und es sei die Pflicht eines jeden matadores dafür zu sorgen, damit er sich den Titel auch redlich verdient, fand bei meinem Gegenüber offensichtlich nicht die gleichgesinnte Zustimmung. Das sei doch das Schicksal eines jeden Stieres. Hierfür werden sie ja gezüchtet. Hierfür leben und sterben sie.

Ich frage nach. Carlos kam aus einem Dorf in Jaén und da leisten sie sich jedes Jahr einen Stier, den sie durch die Straßen treiben, und ein jeder der Bewohner kann auf welche Weise auch immer seinen Mut beweisen. Das dabei, Messer, Gabeln und ähnliches Werkzeug zum Einsatz kommen, nun, dass sei schon immer so gewesen.

Für solche Feste sind meistens gewisse Brüderschaften oder peñas taurinas verantwortlich, die diese das ganze Jahr über vorbereiten, dafür sparen und schliesslich sie auch organisieren. Dieses Jahr, verkündete Carlos in geradezu stolzer Haltung haben sie sich einen echten toro der Zucht Domecq leisten können. Den Stierzüchtern kommen solche Veranstaltungen gerade recht, denn sie können auf diese Weise ihre für corridas und novilladas nicht tauglichen Stiere trotzdem an den Mann bringen.

Solche Veranstaltungen gibt es in Spanien immer noch in zahlreichen Gegenden, meistens in Dörfern, und die Zahl der misshandelten Stiere geht in die Tausende. Fiestas, wo die Stiere der Willkür des Volkes ausgesetzt sind, finden auch in den Reihen der afición eine gewisse Ablehnung. Da werden, meist junge Tiere in die Straßen gelassen und sind einem puren Despotismus der Menschen gnadenlos ausgesetzt. Ob mit Feuer, Messerchen, Steinen, Teer, Stöcken oder was auch immer, dem Ideenreichtum für die dem toro schmerzufügenden Utensilien scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein.

Toro Júbilo de Medinaceli (Soría), der Toro de Coría (Cásares) oder der Toro de la Vega in Tordesillas (Valladolid) sind wohl die grausamsten Beispiele für solche Stierfeste. Feste? Wo liegt hier das Fest? Wo befinden sich Eleganz, Anmut und Disziplin? Wo bleibt der Respekt gegenüber dem Wesen Stier? Dominanz findet hier eine ganz andere Bedeutung. Nicht Kontrolle sondern Erniedrigung. Auch wenn der Stier zum Tode bestimmt ist, hat er Würde verdient. Doch bei diesen Festen wird den toros bravos genau jene Ehrerbietung vorenthalten. “Öffentliches Massakrieren” käme diesem wohl näher als jede Interpretation der tauromaquia. Ein Opferritual in seiner hemmungslosesten Form.

Das mit dem Opfer ist nicht mal so weit hergeholt. In Coría erzählt man sich die Geschichte, dass es vor ziemlich langer Zeit mal ein Brauch gewesen sein soll, einen Burschen zu opfern. Dieser Opfervorgang musste wohl zu einer brutalen Unterhaltung des Dorfes ausgeartet sein. Als das Los nun einen Jungen einer reichen Witwe traf bot sie der Stadt ihre Stierzucht an, im Gegenzug zum Leben ihres Sohnes. Die Stadtväter schlugen ein, und organisieren seitdem die Stierfeste. Zwar nur eine Anekdote, sie zeigt aber auf, mit welcher inneren Einstellung die Spanier diese fiestas angehen.

Es erinnert mich an den Ausspruch von König Philipp II von Spanien aus dem Jahr 1567: “Den Spanier liegen die Stiere im Blut!” Und zu Recht können Tierschützer dem entgegensetzen, wenn den Spaniern die Stiere im Blut liegen, warum müssen dann die Stiere dafür bluten?



Samstag, 7. November 2009

Ein seltsames Argument! Nur noch ein Drittel?

Nur noch …
Gerade heute können wir es  bei der Welt Online lesen: “Nur noch ein Drittel der Spanier kann dieser Fiesta etwas abgewinnen”. Die Neue Züricher Zeitung sieht es ähnlich: “Nur noch knapp 30 Prozent der Bevölkerung können der Fiesta etwas abgewinnen”. Auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bezieht man sich gerne auf die Gallup-Umfrage, wonach es nur noch 27 Prozent an aficionados zu geben scheint und stellt fest: “Noch nie gab es so wenige Zuschauer”.

… ein Drittel?

Also nur ein Drittel stehen zur tauromaquia? Stellen wir fest, dass selbst die Tierschützer den Anteil der Spanier, die den Stierkampf befürworten zwischen 25 und 35 Prozent ansiedeln. Rechnet man dieses um, sind das immerhin zwischen 11 und 16 Millionen Menschen. Und da reden sie allen Ernstes von einer Minderheit? Gut, in der Volksrepublik China könnte man es so sehen, aber doch nicht in Spanien. 

Nur ein Drittel? Ist das wirklich ein Argument?

Wagen wir einen Vergleich: Die Bundesliga kommt auf etwas mehr als 13 Millionen Zuschauer. Disneyland in Paris kommt auf 15 Millionen Besucher. Die öffentlichen deutschen Theater zählen durchschnittlich im Jahr ca. 19 Millionen Besucher. Letzteres sind lediglich an die 23 Prozent der Deutschen und auch in ihrer Anzahl kleiner als die afición. Trotzdem käme keiner auf die Idee diese Veranstaltungen und Kulturgüter wegen der Feststellung, “nur noch ein Drittel oder gar weniger an Besuchern”, irgendwie auch nur andeutungsweise in Frage zu stellen.

Aber beim Thema Stierkampf scheinen sich diese Betrachtungen auf wunderbarerweise den eigenen antitaurinischen Interessen anzupassen.

Sonntag, 1. November 2009

Das Ende der Stierkämpfe

Wie soll das gehen?

Nehmen wir mal an, es würde den Tierschützern gelingen einen solchen Einfluss auf die Politiker zu bekommen, um eine Abschaffung der Stierkämpfe zu bewirken. Was würde eine abolición de la tauromaquia, sagen wir mal im nächsten Jahr bewirken?

Denn ein solches Verbot wirft zunächst folgende Fragen auf:

  • Welche alternativen Jobmöglichkeiten werden den bis zu 150.000 Arbeitslosen angeboten?
  • Welche Perspektiven werden den Stierzüchtern in Aussicht gestellt?
  • Welche Maßnahmen werden zum Schutz des ökologischen Gleichgewichts in Andalusien in die Wege geleitet?
  • Welche Schritte werden zur Erhaltung der "Kampfstierrasse", des toro bravo unternommen?
  • Wie wird der ohne Frage ruinierte Wirtschaftszweig entschädigt?
  • Wer kommt für den finanziellen Ausgleich auf? Spanien? Europa?

Fragen aber fast keine Antworten.

Was sagen die Tierschützer?

Fragt man einen antitaurino, wie er sich die Abschaffung von Stierkämpfen vorstelle, und mit welchen wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Konsequenzen zu rechnen sei, wird man angeschaut als ob man von Marsmännchen erzähle. Tierschützer fordern bekanntlich die totale Abschaffung von Stierkämpfen in Europa. Aber über die möglichen Konsequenzen für die betreffenden Länder (Spanien, Frankreich und Portugal) haben sie wohl dabei noch nicht nachgedacht. Ist ihnen nicht mal in den Sinn gekommen. Jüngst nahm Sandra B. aus Marbella, eine überzeugte antitaurina, wie folgt Stellung: “Die haben das ganze Leben lang Stiere gequält, damit sehr viel Geld verdient, und da geschieht es ihnen nur recht, wenn sie jetzt selbst dafür zahlen müssen”. Kann man den Meinungen einiger Tierschützer glauben schenken, so sollen die Geschädigten sich selbst überlassen werden. Und ob das eine demokratische Alternative ist, sei mal dahingestellt.

Und was meinen die Politiker?

Auf nationaler Ebene fürchtet man am Beispiel von Spanien bei einem Stierkampfverbot vor allem zwei Dinge. Erstens: Spanien steuert eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent an. Da können sie so einen weiteren Brocken von bis zu 150.000 joblosen Personen nun wirklich nicht mehr gebrauchen. Zum anderen ist der Stierkampf nach wie vor zu populär. Das erkennt auch der sozialistische Regierungspräsident Rodriguez Zapatero, der nach verschiedenen Vorstössen durch seine Partei schliesslich seine Mannen zurückpfiff und in der Tageszeitung ABC verkündete, dass der Staat “no tiene ninguna intención de hacer nada contra los toros”, also nicht die Absicht habe, gegen den Stierkampf vorzugehen. Das Wählerpotential unter der afición sei einfach zu groß.

Auf europäischer Ebene sieht es ein wenig anders aus. Dort herrscht keine Furcht vor Wähler-Verlust. Allerdings scheinen die 785 Abgeordneten nur recht einseitig von den Antragstellern informiert worden sein. Obwohl einige Vertreter aus der Stierkampfszene für wenige Tage beim Parlament präsent waren, um ihre Welt der toros zu vertreten hat es eine ernsthafte Auseinandersetzung über die Konsequenzen wohl nie gegeben. Verschiedene Schreiben an die Abgeordneten wurden im Sinne der tauromaquia sehr oberflächig gar unbefriedigend beantwortet: "Angesichts der Folgen, die sich bei einem Verbot der Stierkämpfe ergeben würden, ist es natürlich zu bedauern, dass so viele Menschen ihre Arbeit verlieren. Allerdings steht der Schutz des Arbeitsmarktes nicht über allen Gütern." Oder:
"Auch wenn ich prinzipiell ein Verfechter des Subsidiaritätsprinzips bin - insbesondere wenn es den Bereich der Kultur betrifft - so besteht doch Handlungsbedarf seitens der EU, wenn Mitgliedstaaten nicht vertragskonform handeln. In diesem Fall können auch wirtschaftliche Gründe nicht geltend gemacht werden." Schliesslich: “Wir danken Ihnen für den Hinweis. Ich muss zugeben, mir darüber noch keine Gedanken gemacht zu haben. Ich werde es aber im Arbeitskreis anregen”. Mit anderen Worten, auch Europa ist auf eine mögliche abolición de la tauromaquia so gar nicht vorbereitet.

Aber eines dürfte klar sein. Ein Ende der Stierkämpfe wird Europa sehr viel Geld kosten. Und ob diesen Aufwand die Bürger der Europäischen Union bereit sind zu leisten, steht auf einem anderen Papier.

Und was machen dann die Stierkämpfer

Bei einer Abschaffung von Stierkämpfen werden bis zu 150.000 direkte wie indirekte Arbeitsplätze vernichtet. Eines der Probleme der ungefähr 70.000 direkt Involvierten ist, ein großer Teil hat nichts anderes gelernt, als die Welt der toros. Sie benötigen nicht nur einen neuen Arbeitsplatz, sondern sie müssten erst einmal umgeschult werden. Ein teures Vergnügen für den Staat.

Über die Perspektiven der Züchter

Ein Anfrage bei dem Verband der Stierzüchter, dem Departmento de Comunicación de la Union de Criadores de Toros de Lidia, kurz UCTL, wie sie im Falle einer abolición de la tauromaquia ihre Zukunft sehen, fand zügig eine Reaktion: “Muy negativamente en el ámbito de empleo y muy negativamente en cuanto al mantenimiento de las explotaciones agropecuarias y lo que esto implica en sostenibilidad en condiciones óptimas de la dehesa, lugar donde se crían los animales”. Weder für die Mitarbeiter noch für die landwirtschaftliche Entwicklung lägen interessante Perspektiven ja nicht mal akzeptable Alternativen vor. Das Problem, man könne eben nicht von heute auf Morgen auf Massentierhaltung umstellen, damit es sich finanziell lohnend auswirkt. Auch wären die so genannten dehesas, die Weiden der Kampfstiere dafür vorerst nicht geeignet.

Fazit

Weder Tierschützer noch Politiker haben irgendeine Vorstellung davon, wie man denn im Sinne aller Beteiligten eine Abschaffung von Stierkämpfen europaweit realisieren könnte. Mehr noch, es gab nicht einmal sondierende Gespräche dazu. Und solange antitaurinos weiterhin die afición dermassen verbal beschimpfen, ihr “Menschsein” abwerten, wird es eine solche Annährung nicht so schnell geben.